Der Freiheit beraubt.
Nach dem Machtantritt 1933 etablierte sich die nationalsozialistische Diktatur schnell. Bis zum Juli verloren Mandatsträger der Parteien SPD und BVP ihre Ämter im Wasserburger Stadtrat.
Gegnerinnen und Gegner des Unrechtsregimes wurden verfolgt.
Denunziationen führten zwischen 1933 und 1945 zu Verhaftungen. Staatlicher und parteilicher Zwang wurde ausgeübt.
Die SS trieb Häftlinge aus Konzentrationslagern in Richtung Süden. Diese Todesmärsche führten auch durch den ehemaligen Landkreis Wasserburg.
Unrecht hatte im Nationalsozialismus viele Gesichter.
Der Willkürstaat durchdrang alle Lebensbereiche.
Über diese am Denkmal beschriebene Opfergruppe(n) ist bisher wenig bekannt.
Deshalb hat die Stadt Wasserburg a. Inn im Jahr 2021 eine Forschungsarbeit als Preis ausgelobt, in welcher u.a. die unten aufgeführten Fragestellungen bearbeitet werden sollen. Die Herausgabe der Studie ist für 2024/25 geplant.
„Als ich über die Brücke laufend meine Hand nicht zum Hitlergruß erhob, bekam ich eine Schelle vom Schülerheimdirektor, der ein überzeugter Nationalsozialist war"...
Diese Aussage eines Wasserburger Schülers der damaligen „Luitpold-Oberrealschule“ Wasserburg zu den Geschehnissen auf einem seiner Schulwege von der Altstadt zum Gymnasium um das Jahr 1940, ist vielleicht ein Stück weit sinnbildlich für viele offene Fragen zum Alltag der Menschen in Wasserburg während des Nationalsozialismus.
Der Vorgang steht außerdem stellvertretend für den Verlust des Grundrechts auf persönliche Freiheit. Verbote, Kontrollen und nationalsozialistische Lenkung wurden Bestandteil des Alltags. Sie wurden als selbstverständlich und nach der Befreiung vom Nationalsozialismus oftmals nicht als Unrecht empfunden. Im Vergleich zu anderen Verbrechen wirken solche oder ähnliche Vorgänge vielleicht unscheinbar. Und doch sind sie Teil der Wellen an Gewalt, die sich zwischen 1933 und 1945 ereigneten. Diese sollen für Wasserburg besser erforscht werden:
-Wie stieg die NS-Bewegung vor Ort auf und wie fasste sie gerade in den Anfangsjahren fuß? Wie wurden die Wasserburger zum „Mitmachen" bewegt und welche Menschen wurden dabei ausgegrenzt?
-Das Ende des Rechtsstaates und der Demokratie wirkte sich auch auf lokaler Ebene aus. Die Nationalsozialisten eroberten zuerst das Rathaus. Wie erging es den aus dem Mandat Vertriebenen? Welche Konsequenzen hatte die Abfrage der Parteizugehörigkeit bei Verwaltungsmitarbeitern?
-Politische Gegner wurde inhaftiert. Welche Fälle lassen sich für Wasserburg belegen?
-Wie wirkte sich das System der „Schutzhaft" in Wasserburg aus?
-Was wurde aus den Menschen, die hinter der kurzen Wasserburger Zeitungsnotiz: „KPD-Mitglieder verhaftet" standen?
-Wie regierten NS-Organisationen in die kommunalen Institutionen hinein?
-Große Gemeinschaftsveranstaltungen waren fester Bestandteil des Konzepts der NS-„Volksgemeinschaft". Gleichermaßen jedoch auch Kontrolle, Zwang und Ausgrenzung. Denunziationen breiteten sich aus, die Repression im Staat förderte die Bereitschaft sich anzupassen. Wie lässt sich dies in Wasserburg nachvollziehen und welche Fälle lassen sich archivalisch noch belegen?
-Mut war erforderlich, sich gegen das NS-Regime zu stellen. Bei nicht angepasstem Verhalten drohte jedoch nicht immer eine Gefahr für Leib und Leben. Welche Wasserburgerinnen und Wasserburger zeigten Zivilcourage? Gab es aktiven politischen Widerstand, der hart bestraft wurde?
-Ausgrenzung, Diskriminierung und Verfolgung betraf im NS-Staat Juden, Sinti und Roma, Menschen mit „abweichendem Sozialverhalten" sowie Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung als „gemeinschaftsfremd" stigmatisiert waren. Homosexualität war im Nationalsozialismus ein Verbrechen. Welche Wasserburger Opfer der NS-Ausgrenzungsgesellschaft lassen sich nachweisen?