Stadt Wasserburg am Inn

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Andrä-Niggl-Keller

Durch einen Verbindungsgang nach Westen gelangen wir an einen von den Kellerfreunden liebevoll als Atrium bezeichneten Kreuzungspunkt im Niggl-Keller und gehen rechts weiter. Im folgenden Abteil werden dem Betrachter Werkzeuge zur Eiseinbringung (Eiszangen, Schlegel und Haken) präsentiert. Der dann quer zu unserer Gehrichtung verlaufende breite Wendekreis war eine große Erleichterung bei der Anlieferung von Eis mit Fuhrwerken.

Sorgen und Probleme gab es im Blick auf die Einbringung des Eises dennoch genügend.

Ein besonderes Dilemma schilderte im Jahre 1911 Peter Kühne, der Inhaber einer 6000 hl Brauerei, in der Wochenschrift für Brauerei recht überzeugend:

„Welche Angst vor der Eisernte im Dezember – ein ewiges Spekulieren! Fahre ich schon das noch dünne Eis ein, um überhaupt etwas zu haben, und fülle ich meinen Keller damit, um dann aber das gute Eis, das im Februar noch kommt, nicht platzieren zu können? Oder warte ich und warte, bis dann nichts mehr kommt?“

In einem Seitenarm des Niggl-Kellers kann der Besucher eine Sammlung von alten Einliter-Bügelverschluss-Bierflaschen in Holz- und Blechträgern nebst diversen Holzfässern bewundern. Verschiedene Zapfhähne, ein anzapfbereiter Schanktisch und weitere einschlägige Utensilien mögen dazu geeignet sein, den Durst des Besuchers anzuregen.
Im hintersten und größten Kellerabteil (“langer Keller” genannt) zeigt uns der Führer des Rundgangs unter der Gewölbedecke am hinteren Ende die Öffnung des äußerst rätselhaften Personalganges.

Man erfährt, dass nach einer 9-sprossigen eine 7-sprossige Eisenleiter im 90-Grad-Winkel abzweigt. Dann erstreckt sich der Gang schräg ca. 10 Meter nach oben, allerdings so niedrig, dass man kaum gehen kann. Schließlich folgt eine abgewinkelte Treppe mit 50 Stufen, bevor dann ein senkrechter Schacht nach oben ins Freie führt.

Dieser runde, mit Ziegeln gemauerte, 12 Meter hohe Schacht hat einen Durchmesser von 85 Zentimetern.

Die Bedeutung dieser Anlage war lange Zeit nicht zu ergründen. Im Juni 2004 durchkletterten zwei junge Bergwachtmänner den Kamin und entdeckten tatsächlich in der Ziegelwand des Kamins viele Vertiefungen, deren Zweck nur als Halterung für Steighilfen gedeutet werden kann. Die Nachforschungen werden fortgesetzt.

Die erste Errichtung dieses Kellers ist nicht sicher datiert, die erste urkundliche Erwähnung, vom 8. Januar 1819, an welchem das bei Keller 05 genannte nicht ganz unkomplizierte Rechtsgeschäft zwischen Andrä Niggl und dem Brauer Johann Baptist Lueginger stattfand: Andrä Niggl verkaufte einen Teil seines Besitzes am Keller 05 und verpflichtete sich, für die hier als Niggl-Keller bezeichneten Räumlichkeiten eine eigene Toreinfahrt zu bauen. Das bedeutet, dass der Niggl-Keller (06) ursprünglich als nach Westen erstellte Erweiterung des Kellers 05 angelegt war und erst seit Frühjahr 1820 als eigenständiger Keller gelten kann, bis zu welchem Zeitpunkt sich Andrä Niggl laut Gerichtsurkunde zum Bau einer eigenen Einfahrt verpflichtete.

1835 wird Georg Bichler, der Nachfolger von Andrä Niggl, als Besitzer des Kellers und Erbauer eines Kellerhauses (von dem am 26. März 1836 ein Teil einstürzte) und einer Altane in der Stadtchronik genannt.

Am 19. Januar 1838 belegt eine notarielle Urkunde, dass es zwischen eben genanntem Georg Bichler und dem Besitzer des Kellers 05 immer noch Unklarheiten über eine gemeinsam zu benutzende Toreinfahrt bestanden.

Am 30. Mai 1840 protokollierte der Stadtmagistrat die Aussage Georg Bichlers, dass in seinen Keller Wasser eindringe und das städtische Brunnhaus über dem Gewölbe verlegt werden müsse, um die Kellergewölbe vor dem Einsturz zu retten. In einem Vertrag mit dem Vorbesitzer Andrä Niggl am 24. April 1823, hat sich die Stadt aber das Recht vorbehalten, die Hauptwasserreserve auch weiterhin zu betreiben. Eine Inaugenscheinnahme der Lokal-Bau- und Verschönerungscommission ergab, dass diese Wasserreserve tatsächlich an vielen Stellen rinne und sich in einem ganz ruinösen Zustand befindet. 1842 wurde das Brunnhaus abgebrochen und wieder aufgebaut. Erst 1889 wurde es mit Inbetriebnahme der Fuchstalquelle und der neuen Leitungen außer Betrieb gesetzt.

Bis Mitte des 20. Jahrhunderts diente dann das im Volksmund „Hexenhäusl“ genannte Brunnenhaus zu Wohnzwecken. Im Jahre 1993 wurde das kleine verfallene Anwesen neben der Treppe von der Kellerstraße zum Kellerbergweg schließlich abgebrochen.

Durch Heirat mit Johanna Bichler, Tochter des Brauers Bichler, am 3. Juli 1849 gelangte dieser Keller in den Besitz von Christof Stechl I, dessen Familie diesen über drei Generationen bewirtschaftete.

Die weitere Entwicklung mündete schließlich in die Gründung der Bruck-Bräu A.G., deren Entstehung hier kurz skizziert wird:

Als erster und einziger Wasserburger Brauer wagte Christoph Stechl I 1860/61 einen völligen Brauerei-Neubau außerhalb der Altstadt. An der Ecke Salzburger/Kellerstraße baute er eine moderne Brauerei direkt neben den vorhandenen Kellern.

1911 kam es zur Fusion mit dem Schwager Johann Baptist Meyer II zur „Brauerei Stechl & Meyer“. 1923 erfolgte die Gründung der einzigen Aktiengesellschaft in Wasserburg durch den Eintritt der Brauer Georg Gassner aus Wasserburg, Paul Schnetzer aus Hart und der Löwenbrauerei München. Der Gründungsname „Aktienbrauerei Wasserburg“ wurde sehr bald in „Bruck-Bräu AG“ geändert.

Bei dem großen Erweiterungsbau 1928 wurden die Keller 07 bis 10 direkt in den Brauereikomplex integriert und Verbindungsgänge zu den Kellern 05 und 06 hergestellt.

Während des 2. Weltkrieges dienten Teile dieses Kellers wie auch andere Keller im Stadtgebiet als Luftschutzraum.